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home · 2004 · 12h Gmünd

"Ich dreh‘ nun schon seit Stunden, hier so meine Runden..."

8. Gmünder 12h Lauf
26. Juni 2004

Ehrlich gesagt weiß ich nicht mehr, was mich bewog, mich beim 12 h Lauf in Gmünd anzumelden. Aber irgendwie hat es mich gereizt und auch meine Frankfurter Freundin Gabi Leidner ist diesem Reiz erlegen.

So reist also am Freitagnachmittag Gabi in Sielmingen an und wir müssen am Samstagmorgen nicht alleine nach Gmünd fahren. Zu unserer Unterstützung sind meine Schwestern Sabine und Susi dabei. Sie hatten mir leichtsinnigerweise einen "Jubelgutschein" zum 40. Geburtstag geschenkt, an einen 12h Lauf hatten die beiden dabei aber sicher nicht gedacht! ;-)

Da das Angebot von Veranstalterseite aus an essen und trinken im Vorfeld etwas dürftig klang, haben wir das Auto gut voll gepackt und meine von uns mit "Support-Team" T-Shirts ausgestatteten Schwestern packen ausser Klappstühlen und einem kleinen Tisch auch Speisen und Getränke aus. Wir haben Tee, Buffer und Cola dabei, dazu noch Cracker, Kartoffelbrei, Chips, Gummibärchen und Früchtequark, man weiß ja nie nach was uns der Sinn stehen wird und 12 Stunden sind lang.

Morgens um 8 Uhr fällt der Startschuss, 12 Staffeln und 14 Einzelläufer sind angetreten. Unter den 14 Einzelläufer sind gerade mal zwei Frauen, Gabi und ich. Gabi macht mich schon zu Beginn darauf aufmerksam, dass unter den Männern einer ist, der vor gerade mal zwei Wochen in Biel beim 100 km Lauf den 21. Platz belegt. Und da jammern wir beide, dass uns der Rennsteiglauf und das, was wir dazwischen gemacht haben, noch in den Knochen steckt?

Jetzt erst mal die Strecke erkunden, ins Tempo finden, mit dem Lauf warm werden. Auf einem Fußgängerweg geht es entlang des Josephsbachs und ein Stück auf dem Gehweg an der Parlerstraße "hinunter" dann wieder auf Fuß- und Gehwegen am Josephsbach "hinauf" und zurück zur Zähleinrichtung. Die Runde ist 938 m lang und verläuft am westlichen Rand der Gmünder Innenstadt zum größten Teil im Schatten großer Bäume. Ein Segen angesichts der Tatsache, dass es tatsächlich Sommer geworden ist.

Einzelläufer erhalten ein Armband mit Transponder, die Staffeln laufen mit Staffelholz, mit einem Pieps quittiert die Zähleinrichtung die Runde.

Über die Tatsache, dass ich 12 Stunden lang laufen will, mache ich mir keine Gedanken. Ich laufe 4,5 Runden und gehe dann eine halbe Runde, nutze die Gehpause zum essen und trinken und strukturiere so die Zeit in Happen von einer starken halben Stunde. Die ersten Stunden sind recht ereignislos. Nach drei Stunden spüre ich eine Weile unangenehm die Oberschenkel doch das geht wieder vorüber und dann läuft es richtig gut. Ich bin meiner Marschtabelle sogar ein paar Minuten voraus, so könnte ich gut 100 km schaffen.

Während Gabi und ich von Anfang an Gehpausen machen, "erwischen" wir in den ersten drei Stunden keinen der Männer dabei. Doch dann fangen auch die an zu gehen und nach vier Stunden sitzt schon der erste ermattete Krieger auf einer Parkbank.

Es geht auf 14 Uhr zu. Die 6 h Marke rückt näher. Die Zeit ist recht schnell vergangen, obwohl es nicht spektakuläres zu beobachten gab. Nur ein paar Penner, die es sich auf einer Parkbank mit mehreren Kästen Bier gemütlich gemacht haben. Oder das Parkleitsystem, dessen Anzeige man entnehmen kann, dass die innenstadtnahen Parkhäuser nur zwischen 10 und 12 Uhr voll sind.

Sechs Stunden. Ich schwanke zwischen freudigem "schon 6 Stunden" und entsetztem "nur 6 Stunden". Nochmal das Gleiche? Im selben Tempo? Ich kann es mir nicht vorstellen. Ich versuche die zweifelnden Gedanken zu verscheuchen, es gelingt mir nicht richtig. Ich halte erst mal das Tempo, doch nach sieben Stunden ist die Krise da. Die erste außerplanmässige Gehpause... Dann sehe ich, Gabi liegt bei meinen Schwestern im Gras und schläft! Ich werde immer langsamer, trotzdem werde ich kaum noch überholt. Wo sind denn die ganzen Leute? Viele gehen, einige von den Männern sitzen und liegen herum. Ich greife zu Cola und rapple mich nochmal auf, doch nach acht Stunden ist ein Punkt gekommen, da tut mir alles weh. NIE WIEDER! schießt es mir durch den Kopf.

Der Streckensprecher, der mich stundenlang so freudig "hier ist unsere führende Frau" begrüßt hat, schweigt inzwischen betreten, wenn ich komme. Ich habe Durst, gegen den nichts zu helfen scheint, alles schmerzt. Ich setze mich kurz zu meinen Schwestern. Eine weitere Runde ganz langsam? Ich schleiche so vor mich hin.

9 Stunden, ich lege mich kurz hin. Was soll das, denke ich? An 100 km ist längst mehr zu denken, noch weitere drei Stunden hier im Kreis herum latschen? Warum höre ich nicht einfach auf?

Susi meint, dann könnten wir doch gleich heimfahren. Hm, also das will ich auch nicht. Gabi und ich sind die einzigen Frauen, dass ich gewinne ist fast nicht zu vermeiden, da kann ich doch nicht einfach abhauen! Ich beschliesse, einfach nur noch zu gehen.

Meine Schwestern erzählen anschliessend, dass zwischen 6 und 9 Stunden allgemeine Krisenstimmung angesagt war. Nur der spätere Sieger und der Zweitplatzierte haben unbeeindruckt gleichmässig ihre Runden gezogen.

Das Publikum honoriert mit Beifall, dass ich mich irgendwie weiterschleppe. Aufmunterung kommt auch von den vorbeizischenden Staffelläufern. Das tut unendlich gut. Der spätere Sieger, Sigurd Dutz, der "Mann aus Biel", hat inzwischen den Streckenrekord von 125 km eingestellt, ein neuer Streckensprecher ist da und stachelt das Publikum an.

Ich gehe einige Runden zusammen mit Gabi und sie meint, das mit den Runden sei doch der letzte Mist. So groß die Versuchung, einfach hinzusitzen und nur noch die Uhr weiter laufen zu lassen. Das erscheint mir in diesem Moment auch als der große Nachteil der Stundenläufe. Kein Ziel, das erreicht werden "muss", die Motivation muss aus etwas anderem kommen. Und sie kommt auch für mich wieder.

Nach knapp elf Stunden schreckt mich der Streckensprecher auf. 90 km seien für mich noch drin, meint er. Diese Aussicht motiviert mich mehr, als ich mir hätte vorstellen können. Bine begleitet mich, ich beschleunige meinen Schritt, wir überlegen, wieviele Runden noch für 90 km fehlen. Ich kriege das nicht mehr zusammen gerechnet aber so ganz knapp will es nicht werden lassen, ich laufe wieder die "bergab"-Teile der Runde. Denn natürlich hat Gabi in der ersten Runde recht gehabt, aus der leichten Steigung auf der zweiten Hälfte der Strecke ist ein richtiger Berg geworden.

Mir geht es wieder richtig gut, die lange Geherei hat mich in jeder Hinsicht erfrischt und am Ende kann ich sogar wieder richtig rennen. Die einzige Frauenstaffel "jagt" mich mit fröhlichen Rufen auf der letzten Runde und tatsächlich denke ich "schade" als der Schuss ertönt, der das Ende der 12 Stunden signalisiert. Knapp 93 km sind zusammengekommen und ich bin damit richtig zufrieden.

 
  © 2005 · Ute Pfaff · Emailemail senden